Es gibt nur wenige Franchises im Science Fiction-Genre, die
sich rühmen können, eine gewisse Nähe zu den Fans zu haben. Die PERRY
RHODAN-Serie gehört mit Sicherheit dazu. Die Autoren und Macher sind seit dem
Start der Serie im September 1961 oft auf diversen Veranstaltungen präsent und
die veranstalteten PR-Weltcons zeigen in beeindruckender Weise, wie sehr die
Fans zu ihrer Serie stehen. Schon lange vor der Entstehung des Internets
warteten die Leser begierig auf Informationen aus der PR-Redaktion, die auch
die Hintergründe zur eigentlichen Serie betrafen. Dabei ging es nicht nur
darum, wie die weitere Handlung vorangetrieben wurde, sondern auch wie der
Umgang des Verlags mit den Autoren war oder wie stark die Arbeit des
Exposéautors sich auf die Arbeit der einzelnen Kreativen auswirkte. Relativ
früh wurden die Leser auch mit solchen Infos bedient, die in der Ära von Willi
Voltz nicht mehr so spärlich kamen wie vorher. Kein Wunder, denn nach einer
gewissen Zeit begannen sich viele der Kreativen eben aus dem SF-Fandom zu
rekrutieren.
Die Idee, eine Chronik der Ereignisse rund um die PERRY
RHODAN-Serie zu erstellen, stammt ursprünglich von Heiko Langhans, bekannt als
Biograf von Clark Darlton und Karl-Herbert Scheer oder als Autor der Jahrmillionen-Chronik.
Als Erscheinungsplattform wurden die 3. und 5. Auflage von PR gewählt, die
beide Anfang der 2000er Jahre im handlichen Paperbackformat erschienen. Die
Chronik selbst war allerdings mehr als nur Füllmaterial für die Nachauflagen.
Vielmehr sollten den Lesern viele Fakten aus der Vergangenheit der größten
Science Fiction-Serie der Welt geboten werden, aufbereitet in interessanten
Beiträgen. Als Startschuss diente das Erscheinen des Bandes 1000 der 5.
Auflage. Gerade weil es sich hier um einen der wichtigsten Schlüsselromane der
ganzen Serie handelt. So erschien Ende 2001 die erste Folge der Chronik, die
allerdings nur dreimal unter der Federführung von Heiko erschien. Ab der
vierten Folge übernahm Michael Nagula das Projekt, der es dann bis zum Schluss
im Jahr 2007 betreute. Bereits 2005 wurde schon eine Buchausgabe der Reihe
angekündigt, doch es sollten noch einige Jahre ins Land gehen, bis der erste
Band von PERRY RHODAN – Die Chronik in die Hände der Fans gelangen sollte.
Am 1. April 2011 war es nach zahlreichen weiteren
Ankündigen soweit: Der erste Band einer auf vier Bände ausgelegten Reihe kam in
den Buchhandel. Abgedeckt werden die Jahre 1961 bis 1974. Der Hannibal Verlag,
der bereits Eckhardt Schwettmans ALLMächtiger! veröffentlicht hat, nahm sich
der Reihe an, die in einem sehr gewichtigen Hardcover daher kommt. Auf rund 530
Seiten bietet Michael Nagula frisch aufbereitete Informationen rund um das
erste Jahrzehnt von PERRY RHODAN. Hierbei legte er besonders Wert darauf, nicht
nur die Handlung auf den Punkt zu bringen, sondern auch einen Einblick in den
Hintergrund zur Serie zu geben. Dabei bemüht er sich um sehr viel Objektivität,
damit der reine Informationsgehalt an den Leser gebracht wird. Neben
zahlreichen Artikeln zur Entstehung werden ausführliche Porträts der Menschen
geboten, die für PR in diesen Jahren wichtig waren. Selbst für die
eingefleischten Fans stellen sich im Verlauf der Texte einige Überraschungen
heraus, die ihm bisher nicht bekannt waren. So werden beispielsweise die
Querelen um den Rauswurf von Kurt Brand etwas näher beleuchtet oder auch die
Tatsache, warum Autoren wie Konrad Schaef nur kurze Auftritte als PR-Autoren
hatten. Außerdem werden noch jede Menge Interviews mit den Machern geboten, die
sich über die Jahrzehnte angesammelt haben. So kommt unter anderem William
Voltz, der die PR-Serie beeinflusst hat, oft in eigenen Zitaten zu Wort, die
die Informationen noch etwas weiter vertiefen. Das gilt auch für viele andere
Autoren, die im Laufe der Zeit für PERRY RHODAN geschrieben haben.
Nagula bemüht sich dabei sehr gut um die Aufmerksamkeit der
Leser. Man bekommt nicht nur eine bloße Ansammlung von tabellierten
Informationen geboten, sondern vielmehr einen interessanten, oft kurzweiligen
Einblick in den kreativen Prozess rund um PR. Kurt Bernhardt, lange Zeit der
Chef hinter PR und seinen Autoren, führte sein Regiment oft mit harter Hand,
während Günter M. Schelwokat die Schreiber als Lektor zu besseren Leistungen
antrieb. Beleuchtet werden auch die diversen Versuche, in anderen Medien Fuß zu
fassen. Ausrutscher wie der berüchtigte Film SOS aus dem Weltraum werden genauso behandelt wie die ersten
Hörspiele oder ähnliches Merchandise. Interessant zu erfahren, ist es auch,
dass die früheren Autoren erst durch eine harte Schule mussten, bevor sie auf
das Kronjuwel von Pabel-Moewig losgelassen wurden. Am Anfang stand die Reihe Terra
Astra, in der man junge Autoren förderte. Danach folgte die ATLAN-Serie, mit
der man die neue Generation an die Serienarbeit gewöhnte, bis sie dann auf die
PR-Romane losgelassen wurden. Der erste Band der Chronik endet mit dem
langsamen Rückzug von Karl-Herbert Scheer aus PERRY RHODAN, der
krankheitsbedingt aus dem Team scheiden musste. Aber der Exposéautor hatte
schon einige Zeit vor seinem Abschied für eine Nachfolge gesorgt. Langsam hatte
er einen vielversprechenden Autor an seine Arbeit herangeführt, der das Bild
der Serie bis heute geprägt hat: William Voltz.
*
Der zweite Band beginnt dann auch mit der Veröffentlichung
von Band 700 und dem offiziellen Einstand von Voltz als Exposéautor. Eigentlich
hatte er schon mit Band 650 diese Arbeit übernommen, aber erst Anfang 1975
wurde sein Job offiziell den anderen Autoren gegenüber vom Verlag bestätigt. Mit
diesem Einstand begann sich der Kurs von PR entscheidend zu ändern. Voltz
setzte auf eine ganz andere Philosophie als Scheer, wobei er den Anspruch der
Serie entscheidend hob. Er verpasste der vergangenen und zukünftigen Handlung
den entsprechenden kosmischen Rahmen, mit dem die aktuellen Autoren teilweise
heute noch zu kämpfen haben. Gleichzeitig konzipierte er den ersten,
inoffiziellen Großzyklus, der sich im Grunde genommen von den Bänden 650 bis
999 erstreckt.
Im Gegensatz zum ersten Band werden hier nur fünf Jahre rund
um PERRY RHODAN abgedeckt. Kein Wunder, denn die Jahre 1975 bis 1980 gehören
mit zu den entscheidendsten des Franchises. Im Verlauf dieser Zeit erlebte die
PR-Serie einen absoluten Höhenflug, der bis weit in die 80er Jahre reichen
sollte. Ein Faktor dafür war der SF-Boom, der durch den deutschen Kinostart von
George Lucas‘ Star Wars im Jahr 1978 ausgelöst worden war. Aus den ehemaligen
Konkurrenten Pabel und Moewig war inzwischen ein Verlag geworden, der
zahlreiche SF-Reihen herausbrachte, die sich alle gut verkauften. Serien wie
MYTHOR, die neu bearbeiteten ZBV-Romane von K.-H. Scheer oder die
UTOPIA-Taschenbücher sorgten für leichte Konkurrenz im eigenen Haus. Dennoch
verkauften sich alle Reihe sehr gut.
Der Band endet im Jahr 1980 mit der Veröffentlichung eines
der wichtigsten Meilensteine in der PR-Serie: Band 1000. Gleichzeitig wird auch
die Entwicklung der ATLAN-Reihe etwas näher beleuchtet, die nach dem
desaströsen Atlantis-Zyklus mit Band 500 quasi einen kompletten Neuanfang
erlebte, der einen Handlungsstrang einführte, dessen Ende parallel in einen der
Handlungsstränge des Zyklus‘ Die Kosmische Hanse verwoben wurde.
Michael Nagula begrenzt seine Chronik allerdings nicht nur
auf die PR-Serie, sondern schaut immer wieder auch über den Tellerrand, was
auch einen interessanten Blick auf die SF-Szene jener Zeit gibt. Dabei
entwickelt sich ein interessantes Gesamtbild, dem der Leser einiges abgewinnen
kann. Alle Ereignisse und Informationen hat Nagula sehr ansprechend aufbereitet
und bringt sie manchmal auch mit einem gewissen Augenzwinkern näher. Dabei
lässt er so oft wie möglich die Macher zu Wort kommen, was ebenfalls sehr
interessant ist.
Schon lange haben die Leser von PR auf ein umfassendes Werk
zur Serie gewartet. Zwar gab es in der Vergangenheit schon mehrere Versuche,
die Informationsflut aus der Handlung der Serie in Form von Lexika
aufzubereiten, doch Michael Nagula hat einen sehr interessanten Weg gefunden,
um Fiktion und Realität miteinander zu verbinden. Mit PERRY RHODAN – Die
Chronik ist nicht nur ein großer Wurf für die Fans der Serie entstanden,
sondern man merkt nach zwei Ausgaben schon, dass man es hier mit einem der
Standardwerke der deutschen Science Fiction-Geschichte zu tun hat.
Perry Rhodan – Die Chronik
Band 1: 1961-1974
von Michael Nagula
erschienen im Hannibal Verlag, April 2011
Umfang: ca. 530 Seiten
ISBN: 978-3-85445-326-0
Perry Rhodan – Die Chronik
Band 2: 1975-1980
von Michael Nagula
erschienen im Hannibal Verlag, Dezember 2011
Umfang: ca. 580 Seiten
ISBN: 978-3-85445-330-7
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